Stellungnahme der Jury

8.12.2014

Liebe Frau Voigt,

 

hoffentlich haben Sie mit Ihrer Truppe den schönen Erfolg noch ordentlich gefeiert?

 

Sie fragten mich gestern nach einer Jury-Begründung. Ich will hier einmal in aller Kürze ein paar Punkte notieren, die für unsere Entscheidung ausschlaggebend waren: Der Gesamteindruck ergibt sich aus dem geglückten Zusammenspiel vieler Momente: Da ist zuerst die tolle Ensembleleistung zu erwähnen. Es war auch gestern Abend wieder deutlich zu spüren, wie sehr dieser Abend von allen Beteiligten getragen wird. Es wird nicht in einer Sekunde bloß „absolviert“, jeder Vorgang wirkt innerlich entschieden und geführt. Die Dramaturgie des Abends verschränkt die ausgewählten Szenen zu einer neuen, sehr gut nachvollziehbaren Einheit. Große Szenen (DAS KREIDEKREUZ, RECHTSFINDUNG, DIE JÜDISCHE FRAU u.a.) wechseln mit Chor- und Kurzszenen. Das Spiel ist dabei in allen Szenen immer erfrischend unsentimental, verkleistert die Konflikte nicht mit großen Gefühlen, sondern legt auch in den Subtexten des Spiels die Zwangs- und Interesselagen der Figuren frei. Die Figuren werden in Ihren Widersprüchlichen aufgefaltet und nicht denunziert. Die Sprachbehandlung ist durchweg hervorragend. Die Ausstattung überzeugt in ihrer ästhetischen und funktionalen Entschiedenheit. Die Umbauten werden zum Teil der Inszenierung und rhythmisieren den Abend zusätzlich. Nicht zuletzt wurde mit Brechts eher selten gespielter Szenenfolge FURCHT UND ELEND DES III. REICHES eine Vorlage ausgewählt, mit der in besonderer Weise eine Auseinandersetzung über Wertvorstellungen und Verhaltensweisen gerade unter jungen Leuten angestoßen werden kann. Die Veränderungen einer Gesellschaft unter einem totalitären Regime wurden sinnlich nachvollziehbar und sehr wirkungsvoll herausgearbeitet.

 

Ich schicke Ihnen per Post noch ein kurzes offizielles Schreiben der Jury – als eine Art offiziöse „Urkunde“.

 

Wir haben diesen beglückenden Abend mit Ihnen und Ihrer Theatergruppe sehr genossen. Ich hoffe, das hat sich vermittelt. Grüßen Sie bitte alle Beteiligten ganz herzlich!

 

Besten Gruß,

 

Frank Kroll

 

Leitung / Head of Suhrkamp Theater & Medien

Bericht von Tosca, 8.12.2014

Wir fahren nach Berlin!!! Als wir Ende Oktober erfahren, dass wir den Bertolt-Brecht-Wettbewerb, ausgeschrieben vom Suhrkamp Verlag, dem Berliner Ensemble und dem Bund Deutscher Amateurtheater, gewonnen haben, fallen wir aus allen Wolken. Wir dürfen alle zusammen vom 6.12. bis 8.12. nach Berlin fahren und dort am 7.12. im Berliner Ensemble unsere Inszenierung von „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ spielen! Damit haben wir nicht gerechnet, waren unsere vier Aufführungen des Brecht-Stücks im Februar 2014. Keiner von uns dachte noch an  den Wettbewerb.

Doch nach der Euphorie und der Freude, dass wir die beste deutschsprachige Brecht-Inszenierung der Amateurtheater hingelegt hatten, wird uns klar, dass wir uns der Herausforderung stellen und die „alte“ Theater-AG reanimieren müssen. Aber nach einem schönen, wenn auch anstrengenden Probewochenende sitzt der Text wieder, die Rollen von Luisa und Jacob, die schon auf großen Reisen sind, werden neu besetzt und wir fühlen uns bereit für Berlin.

Mit dem Zug geht es Samstagmorgen in die Hauptstadt, die für uns alle aufregend ist, und wir dürfen unsere Kabinen auf einem Hausboot auf der Spree an der Oberbaumbrücke (Friedrichshain) mit Blick auf die East Side Gallery beziehen. 

Am späten Nachmittag schauen wir uns das Berliner Ensemble an und sehen unsere Bühne. Ganz schön anders und ungewohnt im Vergleich zu unserer vertrauten Aulabühne und der "Theaterfamilienküche". Hier schminkt man sich auch nicht im Physiksaal, sondern im Masken- und Garderobenraum.

Aber natürlich brauchen wir nicht lang, bis wir uns ein wenig auskennen und uns hinter der Bühne etwas eingerichtet haben. Trotzdem fühlt es sich so an als seien wir wieder 5. Klässler an ihrem ersten Tag am Gymnasium ... Die professionellen Schauspieler des Berliner Ensembles sind weltweit bekannt und erfolgreich und jetzt dürfen wir, die Theater-AG  des Max-Plank-Gymnasiums mit ihnen unter einer Decke spielen! Wow -  das ist ein tolles Gefühl und unsere Vorfreude auf Sonntagabend steigt.

Damit wir am großen Tag alle bei Kräften sind, genießen wir den Samstagabend in der Kantine des Theaters und gehen früh in unsere Schiffkajüten schlafen. Sonntagmorgen und -mittag verbringen wir hauptsächlich 
mit Proben und einige von uns erkunden in der Pause etwas Berlin, während andere sich entspannen und auf den Abend einstellen.

Wir bekommen außerdem eine Führung durch das gesamte Theater, bei der wir die große Drehbühne von unten, die verschiedenen Technik- und Bühnenausstattung und vieles mehr kennenlernen. Doch vor allem erzählt uns der Dramaturg Dietmar Böck viel über Bertolt Brecht, sein Wirken am Berliner Ensemble, das seither auch Brecht-Theater genannt wird und über die Entwicklung des Ensembles unter der Leitung von Helene Weigel, der Frau von Brecht.

Nach Kaffee und Kuchen in der Kantine wird es langsam ernst ... Wir ziehen uns um und schminken uns im Maskenraum. Kurz vorm Einlass wird die Aufregung dann doch sehr groß, aber Frau Voigt weiß, wie sie uns beruhigt und zu Höchstleistungen bringt. Auch wenn wir nicht in unserer gewohnten Umgebung vor dem gewohnten Publikum spielen, müssen wir alles auf der Bühne geben und unseren Titel verteidigen.

Schon nach den ersten Szenen merken wir und vor allem auch das Publikum, dass es wirklich gut läuft. Wir bekommen sogar Szenenapplaus und unser Publikum lacht nicht wenig! Vielen Dank an alle, die mit nach Berlin gekommen sind und den besonderen Abend mit uns erlebt haben!
 Nach der Aufführung wird kräftig applaudiert und wir toben vor Glück es geschafft zu haben.

Wir alle nehmen diese wunderbare Erfahrung mit, einmal im Berliner Ensemble auf der Bühne gestanden und alles gegeben zu haben. 
Und das wird danach natürlich auch gebührend gefeiert in der Theater-Kantine, in die uns der Suhrkamp Verlag eingeladen hat. 
Vielen vielen Dank an alle, die uns dieses Erlebnis ermöglicht haben. Es war wirklich unglaublich und wunderbar!

Die Theater-AG