Geschichte der Theater-AG

Bereits Mitte der 60er, der 70er und Anfang der 80er Jahre wurde am Max-Planck-Gymnasium Karlsruhe Theater gespielt, in den 90er Jahren gab es neben der Oberstufen-AG sogar eine Unterstufen-AG, die erfolgreich einige Stücke auf die Bühne brachte.

Der Anfang der Oberstufen-Theater-AG liegt 1989 im ehemaligen Kath. Gemeindezentrum in Rüppurr, doch seit 1991 verfügt das Gymnasium über eine eigene Aula, die nach äußerst zähem Kampf auch noch eine Bühne bekam. Diese war zwar keineswegs optimal ausgestattet, doch im Laufe der Jahre hat die Theater-AG ihre Eintrittsgelder immer wieder für neue Scheinwerfer, Licht- und Tonpulte, Mikrofone usw. eingesetzt, um die Inszenierungsbedingungen zu verbessern. 

 

Von 1989 bis 2016 hat die Theater-AG 27 Stücke unter der Regie von Birgit Voigt aufgeführt. Ein Prinzip bei der Stückauswahl der Theater-AG ist es, möglichst selten gespielte, aber dennoch anspruchsvolle Werke zur Aufführung zu bringen; dabei werden auch häufig Tabu-Themen aufgegriffen.

 

Seit September 2016 haben sich mit Melanie Hong und Katrin Fuchsloch Theater und Kunst am MPG zusammengetan und mit der spielfreudigen Truppe ihr erstes Stück am MPG auf die Bühne gebracht. Ionescos Schauspiel "Die Nashörner" bot Schauspielern und Bühnenbild-Team die Gelegenheit, gemeinsam den Prozess vom ersten Lesen bis zur Aufführung mit allen künstlerischen Mitteln des Theaters zu gestalten und die Reflexion über aktuelle, politische Fragen fortzuführen.

 

Danke an alle Beteiligten und an unser treues Publikum!

 

 

Wie alles anfing und sich entwickelte –

eine “kurze” Geschichte der Theater-AG am Max-Planck-Gymnasium, ganz subjektiv verfasst von “der Voigt”

 

Eigentlich ist die Theater-AG aus einer Trotzreaktion entstanden, wollte ich doch einigen KollegInnen beweisen, dass Schüler zu jeder Zeit toll und doof sein können.

 

1988

 

Die inoffizielle Abitur-Feier artete so zwischen 2 und 3 Uhr morgens ziemlich aus. Die LK-Lehrer/innen wurden “geehrt”; zu diesem Zweck hatte man Gipsköpfe angefertigt, was ja eine gute Idee war. Einige waren aber ziemlich angetrunken – und es ging unter die Gürtellinie, d.h. der angestaute Frust über speziell einen Lehrer entlud sich darin, dass mit den Füßen auf den symbolischen Kopf getreten wurde. Mir ging das entschieden zu weit, meine Aufforderung einzuschreiten, wurde von den Abiturienten nicht beachtet. Ich ging. Am nächsten Tag: Sonderkonferenz – wie reagieren wir auf diesen Vorfall? Die einfachste Lösung wurde gewählt: Die 5 “Rädelsführer” erhielten Schulverbot, die offizielle Abitur-Feier wurde abgesagt. Mein Vorschlag, eine “unfeierliche” Veranstaltung mit einer direktorialen Rede, die u.a. das Mitläufertum, die “klammheimliche, feige Freude” thematisiert, abzuhalten, erhielt gerade mal 6 Stimmen. “Früher konnten die Schüler noch feiern.” “Früher war alles besser!” usw. usw. – ich wollte eigentlich nur noch den Dienst quittieren, fühlte mich absolut deplaziert, gescheitert. Man überzeugte mich zu bleiben – und ich schwor mir, die nächste Abi-Feier wird ganz anders. Wie “anders” wusste ich auch noch nicht!

 

1989

 

Ich übernahm den Literaturkurs der Klasse 13. Durch irgendeinen Zufall stieß ich in der Buchhandlung auf das Theaterstück Die deutsche Walpurgisnacht von Dosio Koffler – eine Satire auf das III. Reich.

 

Goethe, Schiller, Nietzsche und Mephisto fliegen über Deutschland, und was sie dort erleben, lässt Mephisto vollends human werden.  Ein Stück, das zu 80% aus Originalzitaten besteht.

Wir verfassten Referate, arbeiteten uns in die Thematik im ersten Halbjahr ein – und irgendwann entstand die Idee, das Theaterstück aufzuführen. Zunächst musste aber das schriftliche Abitur vorbei sein (damals noch im Januar), dann mussten wir einen Raum zum Proben finden.

 

Pfarrer Geier überließ uns den (katholischen) Gemeindesaal, wo heute Promedic untergebracht ist. Die Bedingungen waren mehr als jämmerlich: einige wenige Scheinwerfer, stets mussten wir ca. 150 Stühle von der Bühne abräumen, um sie dann aber auch wieder auf die Bühne zu stellen; die Temperatur in diesem Saal betrug nie mehr als 12 bis 15 Grad und überhaupt: Die Zeit war mehr als knapp.

Insgesamt probten wir vom 13.2. bis zur Aufführung am 28.4. 17 mal.

 

Dann war das mündliche Abitur (24./25.4.) vorbei – unsere Stunde war gekommen. Ich weiß nicht mehr, wie wir das alles geschafft haben. Unsere Masken-Künste waren mehr als bescheiden! Die KZ-Häftlinge sahen eher wie Panda-Bären aus.

Und dennoch: Nachdem Herr Reichert die Preise und Zeugnisse verteilt hatte, ging der Vorhang tatsächlich auf und wir spielten! Zwar flog in der “Ordensburg-Szene” ein Stuhl locker von der Bühne – aber das machte nichts. Am Ende der sehr langen Aufführung rief das Publikum, ein Zitat aufnehmend: “Verweile doch, du bist so schön!”

Und dann ging die Party ab! Die Eltern hatten ein wunderbares Büffet mitgebracht. Wir bauten schnell Tische auf und feierten wirklich bis morgens um 7 Uhr.

 

Am 3.5. führten wir noch einmal das Stück auf – diesmal für die ganze Schule, und es war unwahrscheinlich, wie konzentriert selbst die jungen Schüler/innen dem Stück folgten. Das Stück hatte uns alle sehr betroffen gemacht, aber wir konnten auch gemeinsam heulen.

 

Adur Zick hat mir ein wunderschönes kleines Album mit Schwarz-Weiß-Fotografien geschenkt, und der Literatur-Kurs ein Ringbuch mit Fotografien von Heathers Mutter; die letzte Seite ist ganz schwarz mit einem kleinen roten Punkt drauf = die Voigt rauchend im dunklen Raum!

 

Im Garten in Bruchhausen feierten wir unsere gelungenen Aufführungen und zugleich den Abschied von Heather (= Heide-Kind), die wieder zurück in ihre Heimat Amerika zum Studium ging.

 

Und noch etwas: Hermann Hammer, inzwischen in Paris tätig, reiste extra für unsere Aufführung nach Karlsruhe.

 

1990

 

Obwohl etliche Schüler und Schülerinnen der damaligen 11.Klasse unbedingt wollten, dass wir zusammen Theater spielen, war ich einfach zu feige.

 

Ich hatte unheimliche Angst, dass ich nicht genügend von der vorherigen Theater-Gruppe abstrahieren könnte, dass ich die Neuen immer an den Alten messen würde, dass ich ihnen nicht gerecht werden könnte.

 

Also habe ich sie vertröstet, habe mit ihnen Mephisto von Klaus Mann gelesen – aber nichts gespielt.

 

Ende Oktober 1989 war zudem unser “Klassen-Kind” M. geboren worden, der in der weiteren Geschichte der nun entstehenden Theater-AG immer wieder eine Rolle spielt.

 

1991

 

Nun gab es aber kein Zurück mehr. Wieder einmal zufällig, aber nicht ganz so wie bei Dosio Koffler, kamen just in diesem Jahr die bislang unveröffentlichten Theaterstücke von Klaus Mann heraus. Unsere Wahl fiel auf “Athen”.

 

Herr Reichert hatte inzwischen den Bau einer Aula im ehemaligen Innenhof zwischen Physik und Lehrerzimmer erfolgreich durchgesetzt. Am 19. Juni sollte die offizielle Einweihung sein – und wir sollten spielen!

 

Zunächst probten wir im Medienraum, wo auch die Rattengeschichte mit Patrick geschah. Während einer Einzelprobe mit Holger, Mathias und Patrick drückte mir letzterer seine Schmuseratte in die Hand, nichts von meiner Phobie ahnend. So schnell habe ich einen Raum noch nie verlassen!

 

Tesaband markierte eine fiktive Bühne, und die Verhandlungen mit der Stadt bzw. mit den Architekten dauerten und dauerten. Es war ein zäher Kampf,  denn im ursprünglichen Plan war überhaupt keine Bühne vorgesehen. Irgendwelche komischen Podeste aus der Stadthalle wurden uns dann zur Verfügung gestellt und zu unserer Bühne zusammengeschraubt. Kaum vorstellbar ist aus heutiger Sicht, dass der Bühnenvorhang und die Scheinwerfer (6 Stück an der Zahl) dann tatsächlich erst am 13.6. angeliefert wurden. Die uns versprochenen Stellwände hatten eine völlig andere Größe als abgesprochen, so dass unsere Bühnenbilder in letzter Minute mühselig abgeändert werden mussten. Und noch am Tage der Generalprobe (18.9.) waren die Bodenverleger am Werk.

Schlimm an der ganzen Situation aber war vor allem, dass das Verständnis eines großen Teils des Kollegiums für unsere Arbeit sehr dürftig war. Tränen ob Drohungen und Beschimpfungen waren an der Tagesordnung; dumme Sprüche, wie: “Mathe ist viel wichtiger als euer Theater!” “Wenn du die Klausur nicht mitschreibst, bekommst du eben null Punkte.” Oder: “Sie mit Ihrer obskuren Theater-AG!” die Regel!

 

Am Tag der Generalprobe (18.6.) war unendlich viel geboten. Das Fernsehen war da, filmte die gesamte Probe, machte Interviews, wir wurden tatsächlich am Tag der Premiere in den Landesnachrichten 5 Minuten lang gesendet – und zwischen Maske und Probe erstellten wir eine Wandzeitung: “Athen – ein Drama in fünf Akten”, auf der wir unsere Schwierigkeiten dokumentierten.

 

Irgendwann gegen ½ 6 Uhr kam ich ins Bett. Um ½ 9 Uhr rief mich der Verlag an und wies mich darauf hin, dass ich keine Rechte hätte! Himmel! Das hatte ich vergessen! Mir wurde erklärt, dass eine Amateur-Theatergruppe keine Welturaufführungsrechte bekommen kann. Nach einer Stunde hatte ich die freundliche Dame überzeugt. Und wir erhielten die Rechte – und zwar die billigsten in den letzten 10 Jahren überhaupt!

Dann rief Herr Reichert an – meine Antwort ist meiner Rücktrittserklärung aus dem Personalrat zu entnehmen.

 

An den Personalrat des Max-Planck-Gymnasium

 

 

Betr.: Rücktritt

 

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

ich möchte Euch mitteilen, dass ich mit sofortiger Wirkung von meinem Amt als Personalrätin zurücktrete.

 

Da KM und ich eine alternative Stadtrundfahrt mit der Klasse 7a unternehmen, kann ich leider meine Gründe für diesen Entschluss heute nicht mündlich erläutern, bin jedoch jederzeit zu einem Gespräch bereit.

Ich möchte betonen, dass ich  mit keinem von Euch Gram bin, dass mir aber das Verhalten zahlreicher Kolleginnen und Kollegen in den letzten Wochen deutlich vor Augen geführt hat, dass ich als Person die Interessen des gesamten Kollegiums des MPG nicht mehr vertreten kann. Mir ist in den vergangenen Wochen einmal mehr klar geworden, dass mir die Interessen unserer Schüler  bedeutend  wichtiger sind als die "Sorgen und Nöte" eindimensional in Noten und Punkten denkender Kollegen.

 

Abgesehen vom Ärger und von den Angriffen auf meine Person in den letzten Wochen, haben mich die Verbalinjurien einiger Pädagoginnen und Pädagogen auf die Mitglieder der Theater-AG persönlich verletzt, zumal ich deren Unverständnis, deren Entsetzen über einzelne Reaktionen vollkommen teile. Meine Solidarität mit dem Kollegium findet dort ihre Grenzen, wo eindeutiges Fehlverhalten bemäntelt oder aus taktischen Gründen unterm Tisch gehalten werden soll.

 

Die Idee, eine Dokumentation unserer "verschärften" Arbeitsbedingungen zu erstellen, habe ich der Theater-AG unterbreitet, der Text stammt ebenfalls von mir. Meine Position zu diesem Konflikt würde sich aber an keiner Stelle ändern, wenn es sich bei der Dokumentation um eine  von mir völlig unabhängige, selbständige Initiative der Schülerinnen und Schüler der Theater-AG gehandelt hätte.

Ein Drama in 5 Akten: Akt 4 gibt anonym die von den Schülern gesammelten Zitate von Kollegen und Mitschülern wieder, Akt 5 zeigt den freiwilligen Einsatz und den tatsächlichen Unterrichtsausfall pro Schüler!

Eine Dokumentation also, an der absolut nichts gezinkt oder getürkt ist, die keine Person an den Pranger stellt, die fair ist und hinter der wir, d.h. die Theater-AG, inhaltlich völlig stehen. So war es!

 

Umso überraschender am 19.6., dem Tag der Premiere, morgens der Anruf von Herr Reichert: Mitglieder des Personalrats hätten vorgeschlagen, die Dokumentation doch lieber ins Lehrerzimmer zu hängen, nicht der Öffentlichkeit preiszugeben; einzelne Kollegen könnten sich angegriffen fühlen, aus taktischen Gründen, d.h. um die Kollegen besser vom Sinn einer Theater-AG überzeugen zu können - auf einer Konferenz -, sei es angebracht, die Dokumentation abzuhängen! Ich habe Herrn Reichert erklärt, dass ich diese Bedenken nicht teilen kann, dass ich auch nicht bereit bin, den Schülern diesen "Unsinn" klarzumachen. Dass Herr Reichert Mitglieder des Personalrats in dieser Angelegenheit konsultierte, ist in meinen Augen berechtigt, wird doch durch die Dokumentation der Öffentlichkeit signalisiert, dass am MPG Kollegen mit derartigen Haltungen vorhanden sind. Doch: Kein einziger Kollege ist denunziert worden! Dass Mitglieder des Personalrats (vielleicht um des lieben Friedens willen) den "Verschwinde-Vorschlag" brachten, kann ich persönlich weder inhaltlich noch "stilistisch" teilen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

ich habe absolut kein Interesse an einer "Schlammschlacht", habe keine Lust, Details zu klären in dem Sinne: offenzulegen, wer was gesagt hat, nachzuforschen usw.; für mich persönlich ist es einfach konsequent, mein Amt niederzulegen, und ich bitte Euch, ohne großes Tam-Tam, diesen Entschluss zu akzeptieren.

 

Es grüßt Euch

Birgit Voigt

 

 

Die Wandzeitung wurde an der Aula-Rückwand gut sichtbar angebracht. Die Aufführung selbst war ein Erfolg, die Spenden überwiesen wir dem kurdischen Volk.

 

Inzwischen kam ich auf die Idee, systematisch zu fotografieren. Ein Blick in das Album “Athen” zeigt eindringlich die oben erwähnten Schwierigkeiten.

 

In der völlig leeren Baustelle “Aula” sitzen wir auf dem Boden und essen Pizza; zwischen den einzelnen Auftritten wird gelernt; der Frust wird durch Tanzeinlagen von Holger und Mathias kompensiert.

 

Bei der zweiten Aufführung passierte ein “kleineres” Malheur! Patrick und Holger sollten Sokrates verhaften. Es dauerte und dauerte – Mathias erfand irgendeinen Übergangstext. Endlich erschien Patrick, aber allein, wedelte mit seinen Armen und sagte schließlich den Satz von Holger: “Im Namen des Volkes von Athen verhaften wir Dich, Sokrates!”

 

Holger hatte seinen Auftritt verpasst. Er saß unter der Bühne und spielte Game-boy!!

 

Lustig war zudem, dass wir am 7.6. von Bruchhausen in die Hirschstraße umgezogen waren, was den ganzen Stress noch etwas vergrößerte.

 

Der Regiestuhl – das Geschenk der Theater-AG – stand dann auch ziemlich einsam zwischen 40 Bücherkisten in einem leeren Zimmer.

 

Eine Pasta-Fete gab es nicht, dafür einen ausgedehnten Brunch in Voigts neuer Küche.

 

1992

 

In diesem Jahr wollten wir den 500-Jahr-Jubelfeiern der Entdeckung Amerikas etwas Kritisches entgegensetzen und wählten das Stück Kolumbus oder Die Entdeckung Amerikas von Walter Hasenclever und Kurt Tucholsky aus.

 

Unsere Theater-AG musste den Weggang von 9 Aktiven verkraften, gewann aber 14 neue Akteure hinzu. Die Zeit der Improvisation war nun endgültig vorbei. Dem Stück fügten wir ein selbst geschriebenes Vor- und Nachspiel hinzu.

 

Als es an die Verteilung der Rollen ging, war zufällig der kleine M. anwesend. Spaßeshalber fragte ich ihn: “Und was willst Du spielen?”, worauf prompt die Antwort kam: “Domino!” Auf einer anderen Probe bohrte M. genüsslich in seiner Nase, strahlte mich an und streckte mir seinen kleinen Finger entgegen mit der Bemerkung: “Is nix drin!” Und: “Der Papa macht das auch immer.”

 

Vom 27.-29. März waren wir auf dem 1.Theater-Wochenende in Heiligenkreuz bei Heidelberg, wo wir unser umfangreiches Programmheft gestalteten, natürlich probten und viel Spaß hatten. Gedacht sei nur an das “Drogen-Experiment” von Holger und Charlotte mit getrockneten Bananen!

Unsere Schminkkünste hatten sich inzwischen etwas verfeinert, zumal wir uns den abgetrennten Raum des ehemaligen Kunstsaales unter den Nagel gerissen hatten und nun über ein “Theater-Zimmer” verfügten. Zwar hatten wir nur einige Schulbänke und die Spiegel klauten wir aus den Toiletten – aber immerhin!

 

Nun begann der Rhythmus der 4 Aufführungen. Die Premiere war am 8. Mai, dem Tag, an dem meine amerikanische Freundin Jody mit ihren Frühchen-Zwillingen (am 15.12. mit 830 und 550 gr. in Karlsruhe geboren) nach Budapest zurückkehrte. Am 22., 25. und 26.5. fanden weitere Aufführungen statt, wobei die letzte die offizielle Abifeier war – eine Erfahrung, die wir nicht wiederholen sollten.

 

Première hatten auch Teresa und German, peruanische Freunde, mit ihren Empanadas in der Pause des 2 ½ stündigen Stückes.

 

Nach dem Premièren-Applaus so gegen 24 Uhr wackelte unser M. in einem Matrosenanzügchen mit einem riesengroßen Korb voller Rosen auf die Bühne, gab mir ein Küsschen, um dann ganz schnell auf den Arm seiner Mama zu klettern.

 

Als Dankeschön bekam ich Kugeln, Matetee und entsprechende Trinkbecher zur Beruhigung meiner Nerven, wie Mathias meinte.

 

In diesem Jahr nahm auch die Tradition der abschließenden Pasta-Fete ihren Anfang. Und so feierten wir bei den Voigts am 27./28.5. bis in die Puppen, wobei das “Volk” – zu meinem Entsetzen – irgendwann auf dem Dach saß, um den Sonnenaufgang besser zu sehen!

 

1993

 

“Dass die Welt ist, wie sie ist, gilt als schlüssiger Satz und ist doch nicht im Unterbewusstsein ewig Älterer verankert. Auch der “Neonazismus” der Skins zeigt doch nur auf latenten älteren Faschismus. Da nützen Podiumsdiskussionen nichts, wenn Familie, Schule und Gesellschaft keine anderen Haltungen anzubieten haben als Geld, Outfit und Konsum.

Dass Kultur andere Räume besetzt, dass Dichtung jede Wirklichkeit selbst im poetischen Kontext radikaler versteht und daher anders vermitteln muss, und dass die “Bretter der Bühne doch immer die Welt bedeuten können”, ja immer wieder sind, ist das Resultat und die Essenz der Arbeit der Theater-AG des Max Planck. (...)

Durch den Haupteingang auf die Kasse zu und schon stocken Atem und Füße, der Frühlingsabend verliert an Wärme: neben der Kasse steht mit gegrätschten Beinen, in schwarzer “Kluft” mit einer roten Armbinde, auf der das Hakenkreuz aus weißem Grund leuchtet, ein junger Mann. Sein Haar ist extrem kurz, das Gesicht eine weiße Maske und über die Augen ist ein schwarzes schmales Band geschminkt.

Die Figur, eindeutig lebendig, steht und schweigt, wie sechs weitere dieser “satanischen Engel” vor der Bühne und in den Gängen des Zuschauerraums. Zwei große Hakenkreuzfahnen neben dem Bühnenvorhang vervollständigen das Böse als Zitat.

Friedrich Wolfs Drama thematisiert die Tage nationalsozialistischer Machtergreifung und des "“Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums" vom 7.4.33 am Beispiel des jüdischen Chirurgen Professor Mamlock und seines sozialen Umfeldes. In der Klinik zeigen die Diskussionen der Ärzte, Schwestern und Pfleger die blutigen Finger nationaler Morgenröte. Professor Mamlock (...) glaubt an die Legitimität obrigkeitlichen Handelns, an die politische Vernunft und staatliche Ordnung und wird zerbrochen. Als Mamlock die unbelehrbare Brutalität und menschenverachtende Dummheit “völkischen Denkens” begreift, erschießt er sich.

Die Theater AG spielte überaus berührend. Auch die Rollen älterer Personen hatten Profil und erhielten durch die jungen Stimmen eine zusätzliche Dimension. (...)

Das einst erfolgreiche Stück fiel der “wissenschaftlich-antikommunistischen” Rezeption im Westen zum Opfer, die ungerechtfertigterweise von eindeutiger Tendenzliteratur redet. Schon die vielschichtige Entwicklung der Gegenwart, wie auch neonazistische Aktivitäten, heben die Aufführung der Max-Planck-Theater AG weit über das übliche Niveau von Schulaufführungen.

Der Besuch dieses Stückes von bemerkenswerter dramatischer Dichte ist nachdrücklich zu empfehlen. Weitere Aufführungen am 24., 26. und 30.3. sowie am 30.4. im Sandkorn-Theater im Rahmen der Schultheaterwoche.” LO

 

Diese Rezension erschien nicht in der BNN, sie war wohl zu radikal.

 

Holger war inzwischen Zivi im Vincentius-Krankenhaus geworden und schleppte die nötigen Requisiten herbei. Die Kostüme besorgten wir zum größten Teil beim Staatstheater. Andreas übernahm die künstlerische Gestaltung des Programms und malte ein eindringliches Bild, das drei an Hakenkreuzpfählen angekettete Gestalten zeigte.

 

Das Stück hatte fünf Akte und nach jedem Akt wurde die an der Bühnenrückwand angebrachte Hakenkreuzfahne immer ein Stück weiter entrollt. Die Akte I, IV und V spielten im Krankenhaus.

 

Während einer Aufführung geschah es, dass beim Umbau vom I. zum II. Akt zerknülltes grünes Papier vom Instrumentenwagen gefallen war und nun malerisch in Mamlocks großbürgerlichem Wohnzimmer auf dem Boden lag. Stephan, Christian und ich kringelten uns hinten schier vor Lachen. Aber Magnus rettete die Situation. Als Tanja, seine “Tochter”, nach einem Streit die Bühne verließ, brüllte er ihr hinterher: “Und nimm‘ gefälligst das Papier mit!” Das Publikum hatte nichts gemerkt!

 

Das Theater-Wochenende verbrachten wir vom 5.-7.Februar im AWO-Heim in Spielberg.

 

Da unser Theater-Zimmer immer noch wie eine Baustelle aussah, ging der harte Kern der AG meist nach den Proben noch in irgendeine Kneipe. Ohne Feiern – kein Theater!

 

Am 30. April (Freitag) spielten wir im Sandkorn und probten dafür täglich die ganze Woche. Die damalige Jury war einfach eine Katastrophe, und am 2.Mai verfasste ich ein Papier “Plädoyer für eine Pädagogisierung der Schultheater-Woche” mit praktischen Verbesserungsvorschlägen. Das Sandkorn und das Oberschulamt haben diese in den folgenden Jahren dann auch tatsächlich umgesetzt.

In diesem Jahr begann Stephan unsere mickrigen sechs Scheinwerfer um einige weitere zu ergänzen. Erst am 19.Mai fand dann schließlich die Pasta-Fete statt.

 

 

1994

 

Anita, Thilo, Bärbel und Stephanie waren die einzigen Schauspieler, die mir von der alten Truppe übriggeblieben waren. Doch der Nachwuchs, der jetzt die 10.Klasse und damit das “Eintrittsalter” erreicht hatte und schon seit der 7.Klasse (1991) mitspielen wollte, drängte mit aller Wucht und in Gestalt von 10 hübschen, jungen Mädels nach! 13 Mädchen, aber Thilo erhielt mit Henning und Mirko Verstärkung.

Was tun mit diesem Frauenüberschuss? Nach Mamlock sollte es auch noch etwas Heiteres sein. So fiel denn unsere Wahl auf  „Das Frauenfreudenfest“ nach Aristophanes von Ilka Boll. (Première am 11.3.)

 

Aus Amerika war gerade zufällig Heather Cannon gekommen, die dort Tanz studierte. Bereitwillig übernahm sie die Choreografie für unsere Tanzszene, die wirklich urkomisch geriet.

 

Gegen den erbitterten Widerstand der AG setzte ich durch, dass unsere Kulissen aus nichts anderem als aus giftgrünen Kartons bestanden, die je nach Szene in ein Klohäuschen, in eine Mauer, in Sitzplätze oder in ein “kulinarisches” Sofa, auf dem Thilo gehätschelt wurde, verwandelt wurden.

 

Als Stephanie mit einem blauen Müllsack voller bunt bemalter Tücher ankam, erhob sich natürlich auch Geschrei! Mit massiver Überzeugungskraft (sprich: diktatorischem Gebrülle) konnte ich die Truppe aber dann doch bewegen, die Bühnenwand zu dekorieren – und als dann das Licht eingesetzt wurde, waren alle begeistert.

Im Januar probten wir mittwochs und samstags, fuhren vom 28.-30.1. nach Spielberg, um endlich den Text zu lernen.

 

Und auch in diesem Jahr konnten wir licht- und tonmäßig auf Stephan bauen.

 

Als Gag spielten wir zum ersten Vorhang das Lied “Männer” von Herbert Groenemayer ein, was das Publikum so richtig anheizte und uns natürlich auch.

 

Die schlechte Akustik der Aula machte uns zu schaffen. Kurzerhand besorgten wir in der Ettlinger Spinnerei massenweise weißen Stoff und verhängten damit kunstvoll unter Anweisung und Mitarbeit von Herrn Trautvetter die Aula-Rückwand. Aus dem restlichen  Stoff nähte Stephanie Tischdecken für die Bewirtung unserer Besucher in den Pausen.

 

Das Theater-Zimmer wurde zwar immer voller, leider aber nicht schöner. Immerhin hatten wir jetzt einen uralten Kühlschrank, der mit einer Schnur geschlossen wurde.

 

Die Pasta-Fete, die am 25.3. begann, endete am 26.3. am späten Abend. Thilo brannte mir ein Loch in den Küchentisch und okkupierte mit Mirko zusammen mein Bett.

 

1995

 

Nach der heiteren Kost drängte es uns nun, etwas Ernsthaftes auf die Bühne zu bringen. “Ein gewitztes Drama um Sein und Schein und um scheinbares Sein” (BNN, 27.3.) fanden wir in Luigi Pirandellos Stück „Sechs Personen suchen einen Autor“ – ein Stück, das uns wirklich voll forderte und zum Schwitzen brachte.

 

Bärbel und Stephanie hatten die Schule hinter sich gebracht, aber sechs weitere Mädchen wollten mitspielen – und als Mirko dann noch krank wurde, waren Henning und Thilo die einzigen männlichen Wesen in unserer Schar.

 

So mussten eben Frauen Männer spielen. Salome wollte unbedingt das kleine, stumme Mädchen sein, doch die zweite stumme Rolle wollte niemand spielen. In zäher Kleinarbeit überzeugte ich dann Uli, die – wie auch Salome – das Publikum mit ihrer grandiosen Körpersprache begeisterte.

 

Im Staatstheater holten wir alte Plakate für unsere Bühnendekoration, Herr Calvano baute uns zwei Treppen und Stephan spannte ein Stahlseil quer über die Bühne, damit wir daran einen zweiten Vorhang für die Schlussszene befestigen konnten. Das Schwimmbecken mussten die Kinder von Paul Stephany uns “spenden”.

 

Für den ersten Vorhang hatten wir uns “eingefrorene” Positionen für den Abgang überlegt, was ziemlich wirkungsvoll aussah. Auch die durch das Publikum rasende hysterisch hohnlachende Nicola verursachte eine Gänsehaut.

 

Der kurze, aber “furiose” Auftritt von Franzi als Puffmutter Madame Pace veranlasste Frau Schuhr zu der Bemerkung: “Um die brauchen wir uns keine Sorgen machen. Die kann ihr Geld immer verdienen!” Gut, dass Herr Hauser dies nicht hörte.

 

Oliver Bruns unterstützte Stephan Weber beim Licht und Ton. In diesem Jahr baute uns Stephan eine neue Lichtsteuerung von 6 auf 12 Pole.

Hinzu kam eine Sonderaufführung am 6.Mai. Bereits im August, als überhaupt noch nicht feststand, was wir spielen würden, hatte mich Herr Zipf, der Geschäftsführer des Deutschen Jugendherbergswerks, angerufen und angefragt, ob wir nicht zum Jubiläum der Landesverbände Baden und Schwaben etwas, egal was, aufführen könnten. Er hatte 1989 die “Walpurgisnacht” gesehen. Der Präsident des Oberschulamtes Dr.Hirsch, der eifrig mitfeierte und drei Busse warten ließ, schrieb uns:

 

“(...) mit Freude und Genugtuung durften wir zur Kenntnis nehmen, dass viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich sehr positiv über unsere Veranstaltungen in Karlsruhe äußerten und insbesondere Ihre so hervorragend gelungene Aufführung mit Ihren Schülerinnen und Schülern für unsere Gäste ein Erlebnis darstellte.

 

Mit diesen Zeilen möchten wir Ihnen und Ihren Schülerinnen und Schülern noch einmal sehr herzlich Dank sagen, dass Sie in so hervorragender Weise zum Gelingen unseres Jubiläums beigetragen haben. (...)”

 

 

Das Theater-Wochenende fand vom 3.-5. Februar erstmalig im Naturfreundehaus Moosbronn statt. Die Familien Hoepfner und Stroh hatten sich bereit erklärt, den “Dienst” zu übernehmen. Wir igelten uns in der Selbstversorger-Küche ein, und M. wurde nicht müde, immer und immer wieder den gleichen Text zu hören. Natürlich unterstützte er uns auch beim abendlichen Spielen und Mousse-au-chocolat-Essen.

 

Die Pasta-Fete begann eigentlich schon am 6.4. und endete am 8.4., wobei sämtliche Gelegenheiten zum Zwischendurch-Schlafen genutzt wurden. Franzi und Inga hatten sich sogar in der Küche ein Bett bereitet; Thilo und Mirko besetzten wieder einmal mein Bett.

 

Und was tat sich im Theater-Zimmer? Immer noch nichts, sieht man von dem etwas neueren Kühlschrank-Modell, das uns Frau Viesel stiftete, und einem abschließbaren Schrank ab. Doch es sollte sich bald ändern. Frau Moser hatte inzwischen eine ausrangierte Küche organisiert, Herr Fischer verputzte die zahlreichen Löcher in der Wand, und am 11.Dezember fingen wir um 15 Uhr mit dem Streichen an. Um Mitternacht hatten wir endlich ein schönes Theater-Zimmer!

 

Vom 17. bis 19. November fuhr die Theater-AG nach Paris ins Théatre du Soleil, wo wir “Le Tartuffe”, inszeniert von Ariane Mnouchkine, sahen und unheimlich viel Spaß hatten.

 

1996

 

Nicola, Anita und Ismenia verließen uns. Mirko war wieder gesund und auch Claudia, die zwischenzeitlich auf einer anderen Schule gewesen war, kam zurück. Und noch ein Wunder geschah: Die Theater-AG erfuhr männliche Verstärkung durch Vali und Manu.

 

Unsere Wahl fiel auf Elias Canettis Drama “Die Befristeten”.

 

Ein karges, dunkel bis hellgraues Bühnenbild, mit rotem Teppich verkleidete Tische, Herr Calvanos Treppen ganz schwarz gestrichen, eine Bank, eine Staffelei, einige wenige Handrequisiten – das war schon fast alles.

Alle trugen ein grünes Band um den Hals und eine gelbe Kapsel. Ferrero wollte uns keine Überraschungseier zur Verfügung stellen, da es bei dem Stück um den Tod und das Sterben ging, und so mussten wir unsere Sammeltätigkeit beginnen. Frau Koehler sprach selbst wildfremde Menschen in der Straßenbahn an, um in den Besitz der gelben Eier zu gelangen. Schließlich sollte auch jeder Zuschauer “dekoriert” werden.

 

Vor besondere Schwierigkeiten stellten uns die vielen Szenenwechsel und die Massenszenen am Ende des Stücks. Am grausligsten war jedoch die Chor-Litanei, die von den Fenstern im ersten Stock in die Aula “gesungen” werden musste. Auch bei den Aufführungen brummte meist irgendjemand ziemlich falsch dazwischen. Aber es wurde nicht übel genommen.

 

Die Aufführungen (15.,19.,22. und 26.3.) waren gut besucht.

 

Kurz vor der letzten Aufführung verletzte sich Bianca am Knie und musste operiert werden. Zum Glück sprang Bevis ein, lernte in Windeseile den Text und rettete damit die Aufführung.

 

Zu erwähnen ist, dass wir noch ein weiteres Theater-AG-Mitglied bekamen – unseren Mann für alles, sprich unseren Phil, der auch die “erotische” Lederhose für Henning herausrückte. Und wie schon all die Jahre zuvor musste auch der Kleiderschrank vom Voigt wieder herhalten.

 

Am 3. April fand die Pasta-Fete statt, von der es komischerweise überhaupt keine Fotos gibt.

 

Vom 19. – 21. Januar tobten wir wieder in Moosbronn herum, organisierten und lernten, und Manu und Thilo erfanden die geniale Salatschleuder.

 

Nachdem Hugi eine ganze Wand mit einem wunderschönen bunten Bild bemalt (17.1.) und wir zusätzliche Schränke für unseren “Kruscht” bekommen hatten, fühlten wir uns

sozusagen sauwohl in unserem Zimmer.

 

1997

 

Der Wunsch, nach zwei intellektuell sehr anstrengenden Stücken eine Komödie zu spielen, wurde laut und mit Neil Simons Farce „Gerüchte, Gerüchte (Rumors)“ umgesetzt.

Die Theater-AG hatte sich ziemlich verkleinert, viele hatten Abitur gemacht, unser Oldie Thilo begann seine Berufsausbildung, Salome verabschiedete sich für ein Jahr und flog in die USA, und von “unten” sollte jetzt nicht aufgefüllt werden. Und das Stück hatte ja auch nur neun Rollen – vier Ehepaare und ein Officer.

 

Fünf Männer wurden gebraucht, und wir hatten nur zwei! Also wandelten wir ein Ehepaar in ein Lesbenpaar um, und Vera (ausgerechnet sie mit den längsten Haaren!) bekam eine schwarze Perücke verpasst. Stundenlang war mein Friseur damit beschäftigt, eine billige Faschings-Langhaarperücke kopfgerecht für Vera herzurichten.

 

Phil baute uns ein zweites Stockwerk auf die Bühne; diese Konstruktion verfügte sogar über eine funktionierende Tür. Für die zahlreichen Requisiten und Kulissenteile wurden manche Haushalte geplündert, und wenn irgendetwas fehlte, konnten wir auf Frau Schlindwein bauen. Sie ist überhaupt unsere treuste Seele, verpasst keine Aufführung, sitzt immer mit mir mit Sekt hinten bei der Beleuchtung, hilft immer beim Aufräumen und verwöhnt uns an Weihnachten mit ihren herrlichen Plätzchen.

 

Diese Produktion stand unter einem ganz strengen Zeitplan, denn ich war am 16.10.1996 an Brustkrebs operiert worden und hatte eine so genannte Sandwich-Therapie verordnet bekommen. 3 Chemos – 6 Wochen Bestrahlung – 3 Chemos. Am 14.11. ging’s mit der ersten Chemo los, was uns aber nicht hinderte, am 16.11. ein Theater-Ehemaligen-Treffen in der Aula zu feiern. Am 17. Januar wurde ich “eingezeichnet” und der Bestrahlungsmarathon begann. Abends und am Wochenende in Moosbronn malte mich Inga immer wieder nach. Eine Woche vor der Generalprobe war dann endlich diese Tortur zu Ende, und wir konnten am 7., 11., 14. und 18. März beherzt aufspielen. Die Pasta-Fete musste auf den 16.Mai verschoben werden, da ich am 20.3. die nächste Chemo hatte.

Das Programmheft gestaltete Carlo Arheidt für uns.

 

1998

 

Das Jahr begann mit einem dreifachen Knöchelbruch “der Voigt” und fast sah es so aus, als könnte unsere neue Produktion Rip van Winkle nach einem Hörspiel von Max Frisch nicht das Bühnenlicht erblicken.

Aber der Reihe nach.

 

Von der alten Truppe waren nur noch Vali, Birgit und Manu übrig. Salome kehrte aus den USA zurück und vier “neue” Schauspielerinnen und zwei Schauspieler gesellten sich zu uns.

 

Neu war unser Entschluss, eine Kooperation mit der Video-AG von Carlo Arheidt einzugehen. Die Computer-Asse Oliver und Christian Sander, Michael Gabi und Stephanie Schmidt-Ehemann bestimmten mit vier Monitoren das Bühnenbild entscheidend mit.

 

“(...) Eine programmierte Uhr soll, vom Laptop aus gesteuert, symbolisch die Zeit im Stück und in der Wirklichkeit des Erlebens von Theater visuell erfahrbar machen. Im Gefängnis steht die Zeit still, im Café vergeht sie schneller, beamtisch tickt sie korrekt und gleichmäßig, im Wirbel der Ereignisse dreht sie durch, in der Erinnerung geht sie zurück und im Leben ist sie endlich.

Bühne ist ein Ort, an dem andere Orte stimuliert werden. Zwei Monitore geben Hinweise auf die Verbindung von realem Ort der Bühne und fiktiven Orten des Stückes. Bühnenbelag und digitalisiertes Foto der Handlungsräume werden im Computer montiert und auf Knopfdruck in die Kulisse eingeblendet. Schein und Wirklichkeit verbinden sich, wie immer im Theater, ganz von alleine.

Videosequenzen im vierten Monitor erlauben parallele Handlungen und verweisen in ihren Abläufen und Inhalten aufeinander.” Karlo Arheidt

 

Die Zusammenarbeit klappte hervorragend.

 

Der Mensch und seine Entfremdung, der Mensch, dessen eigentliches Ich verstellt wird durch Bilder, die andere von ihm haben – diesen Menschen stellte Vali, der sich einen Bart wachsen lassen musste und sich die Haare nicht mehr schneiden durfte, überzeugend dar. Aber auch alle anderen boten ausgezeichnete schauspielerische Leistungen.

 

Stephan Weber, wie üblich, und seine Freundin Isabella Weiser waren für das Licht verantwortlich. Phil schweißte uns die Gefängniszelle und sorgte auch für die übrigen Installationen. Manu und Martin hatten auf dem Theater-Flohmarkt einen alten Bodenscheinwerfer aufgetan, der sogar hervorragend funktionierte.

 

Am 9. Januar hatte ich mir also aus dem Stand beim Inline-Skaten den Haxen gebrochen, wurde am 12. operiert, um dann am Freitag im Rollstuhl und mit Krücken versehen nach Moosbronn zum Theater – Wochenende kutschiert zu werden. In diesem Jahr war unsere Kellerherberge nicht so geschickt, zumal sich die Toiletten im ersten Stock befinden. Vali und Manu hatten den Einkauf übernommen, die Theater-AG in toto kochte mit dem ständigen Genörgel “der Voigt” im Hintergrund. Dennoch war dem Spaß keine Grenzen gesetzt. Am Sonntagabend rollte ich dann wieder ins Krankenhaus ein.

 

Die folgenden Wochen waren für die Truppe ziemlich stressig, da mir, unbeweglich wie man so mit Krücken ist, nichts schnell genug ging und ich deshalb ständig herummotzte. Dann kam der große Knall: Salome brüllte mich zusammen, ich brüllte zurück, war dann aber einsichtig, wir liebten uns wieder, und es konnte weitergehen.

 

Die Pasta-Fete begann am 3. April und dauerte und dauerte ....

 

1999

 

Um es vorweg zu nehmen: seit 6 Jahren die erste Premiere ohne den Turbo-Stress (sprich privater oder gesundheitlicher Natur) bei “der Voigt”.

 

Die Truppe hatte sich erneut vergrößert. Gunther, der der größte Fan der letzten Theater-AG war, gesellte sich zu uns. Lotti, Katha, Oli, Elke, Samuel waren weitere Neulinge. Manu, inzwischen Zivi, wollte auch noch mal mitwirken und schließlich “diente” uns Sonnyboy Daniel Wolff als zuverlässiger Souffleur.

 

Wir hatten uns das Stück „Sofortige Erleuchtung incl. MwSt.“ von Andrew Carr ausgesucht – ein “Umprogrammierungs-Seminar”, welches exemplarisch für diverse Sekten stand. Die Jury der 13. Schultheater-Woche (3.-9.5.99) urteilte:

 

“Hervorstechende Merkmale dieser Produktion waren die außerordentlich aktuelle und brisante Stückvorlage, sowie die darstellerisch gekonnte, konzentrierte und ausgefeilte Umsetzung des Stücks.

Die Darsteller, die alle beinahe das ganze Stück über als Seminar-Teilnehmer oder Trainer auf der Bühne präsent waren, hatten sowohl das gestisch-körpersprachliche Repertoire dieser Psycho-Trainer genauestens studiert und umgesetzt, als auch die Palette der sprachlichen und psychologischen Methoden exakt herausgearbeitet. Den Darstellern der Seminar-Teilnehmer gelangen eindringliche Charakterstudien von überwiegend psychologischer Glaubwürdigkeit. Die Strukturen von Psychosekten wurden in dieser hervorragenden Ensemble-Leistung überzeugend aufgedeckt.”

 

Klaus Martin Bender, Vater von Salome und ehemaliger Beauftragter für Sektenfragen der Evangelischen Landeskirche, hatte sich viel Zeit für uns genommen und uns über die Praktiken und Techniken der Psychosekten aufgeklärt. Wie froh waren wir, als sein kritischer Blick am Ende der Probenzeit für uns positiv ausfiel, er uns sozusagen das Placet für die Aufführung gab. Das Hauptlob: “Ihr spielt absolut überzeugend!” beflügelte uns. Und das Stück forderte uns wirklich. Nicht nur, dass von den Trainern (Florian und Martin) ständig in ohrenbetäubender Lautstärke die Fäkalsprache benutzt werden musste, die hysterischen Ausbrüche einzelner Seminarteilnehmer, die tranceartige Verzückung waren sehr schwer umzusetzen.

 

Wie immer, hatten wir auch dieses Stück unseren Verhältnissen angepasst, d.h. Rollen geteilt und selbst erfundene Passagen eingebaut. Die klassische Ballettausbildung von Tanja wurde genutzt für eine Tanzeinlage, die sehr schön anzusehen war, auch wenn die Ton-Regie, sprich die “Voigt”, einmal statt der Nussknacker-Suite, James Brown einspielte. Das totale Chaos produzierte allerdings Holger Höpfner in der Orgel-Fabrik: gleich dreimal wurde die falsche Musik eingespielt, aber das war nicht die einzige Panne.

 

In diesem Jahr wurde wirklich sehr viel gefeiert, was auch daran lag, dass wir statt unseren vier “normalen” Aufführungen am 12./16./19. und 23. März im Rahmen einer Ausstellung von Hugi Hugel am 24. März in Durlach in der Orgel-Fabrik auftraten und dann am 7. Mai noch im Sandkorn spielten. Die traditionelle Pasta-Fete zog sich in die Osterferien hinein.

 

Vom 15.-17. Januar machten wir wieder Moosbronn unsicher – endlich mal wieder unter normalen Bedingungen. Wie schon oft, kannte M. den Text wieder ganz genau. Seine Geduld, stundenlang bei uns unten in der Küche zu sitzen, kennt keine Grenzen – und beim anschließenden Spielen ist er auch immer gut dabei.

 

15 Schauspielerinnen und Schauspieler ständig auf unserer kleinen Bühne unterzubringen, forderte unseren Phil heraus: Er baute uns ganz viele Kisten, die wir mit Sicherheit in immer wieder neuen Variationen einsetzen können.

 

Die größte Erleichterung verschaffte uns jedoch unser Direktor Herr Reichert, indem er uns eine Spülmaschine für unser Theater-Zimmer spendierte.

 

2000

 

In diesem Jahr hatten wir uns “Die Wand des Schweigens” von Florence Landéda ausgesucht - ein Stück über den sexuellen Missbrauch von Kindern. Um uns mit der Thematik vertraut zu machen, hatten wir eine Referentin von “Wildwasser” zu Gast, die in uns die nötige Sensibilität und Betroffenheit weckte. Ein Besuch der Autorin in Heidelberg bekräftigte unseren Entschluss, uns mit dieser Problematik auseinander zu setzen.

 

Der Oberschulamtspräsident Dr.Hirsch beglückwünschte uns in einem Brief: “Die schauspielerische Leistung Ihrer Truppe ist hervorragend. Sie können stolz auf die geleistete Arbeit sein.”

 

Die Theater-AG hatte sich mehr oder weniger ganz neu gebildet. Von der alten Truppe waren gerade mal Steffi, Oli, Elke, Katha und Samuel übriggeblieben, doch aus der 12.Klasse kamen Christine, Christian, Almut, Pascal, Johannes, Sisi, aus der 13.Klasse Kerstin und Jochen und aus der 10. Klasse Lisa, Jonas, Jana, Anne und Sandra. Samuel wollte in diesem Jahr keine Rolle übernehmen, fühlte sich aber voll verantwortlich für die Life-Musik.

 

Da das schriftliche Abitur vor den Osterferien geschrieben wurde, mussten wir unseren Zeitplan gewaltig umstellen und bereits im Februar aufführen. Das bedeutete natürlich auch die Vorverlegung des Theater-Wochenendes in Moosbronn (17.-19.12.) – das erste Mal ohne unsere Herbergseltern Höpfner und Stroh, was M. in gewaltiges Grübeln brachte, denn er kannte ja nun den Text nicht und war daher unsicher, ob er zur Premiere kommen könnte. Ich konnte seine Bedenken zerstreuen und so kam unser treuer Fan!

 

Da in diesem Theaterstück häufig die Musik übersprochen werden musste, schloss Herr Trautvetter die inzwischen fest installierte Tonanlage in der Aula für uns an. Drei Mikrofone bezahlte die Schule, das vierte finanzierten wir. Und Herr Reichert versprach uns, sich massiv für einen zweiten Bühnenzugang einzusetzen.

 

 

2001

 

Im Dezember verließ uns Herr Reichert wirklich! Und während der offiziellen Verabschiedung brachte sich die Theater-AG in Gestalt des “dienstältesten” Schauspieler (er spielte 5 Jahre!) Thilo Peters ein. Carlo Arheidt war uns mal wieder zur Seite gestanden und hatte aus allen Videos einzelne Bildsequenzen herausgeschnitten und in ein sehr schönes Layout der Theatergeschichte integriert, so dass Thilo im Gehrock tatsächlich ein kleines Buch auf einem Silbertablett überreichen konnte. Nicht nur Herrn Reichert standen die Tränen in den Augen! Und er hatte uns tatsächlich einen neuen Bühneneingang zum Abschied beschert. An dieser Stelle sagen wir einfach “Vielen Dank, Erich!” Sie haben die Theater-AG wirklich immer tatkräftigst unterstützt.

 

Eine “Ehreneintrittskarte” für den “Senat der Verrückten”  von Janusz Korczak bildete die letzte Seite unseres Geschenks.

 

Auf der Suche nach einem neuen Theaterstück hatten wir uns irgendwie (oder vielleicht auch das heimliche Steckenpferd der Voigt?!) am absurden, grotesken Theater festgekrallt. Ein sehr “schwarzes” Stück, “Die Bewerbung”, begeisterte uns zunächst, doch dann kam mehr oder weniger in letzter Minute Kritik auf und die Forderung nach einer Alternative wurde laut. Aus meinem Fundus kramte ich das Korczak-Stück heraus – und die AG war einstimmig begeistert, obwohl es in der vorgelegten Fassung unspielbar war. Einige Nachtschichten – und wir hatten die “Sperrige Humoreske zur Demokratie” von ca. 4 Stunden auf 100 Minuten gekürzt.

 

2002

 

Wie stets nach schweren Stücken: der Ruf nach der Komödie! Doch der deutsche Markt ist da ja ziemlich dünn bestückt, gilt doch nach wie vor “Der zerbrochene Krug” als die beste deutsche Komödie. Na, ja! Und ohnehin ist der Weg zum Boulevard-Theater nicht weit, überdies ist es äußerst schwierig, für 14 Mädchen und 3 Jungs auf dem deutschen Markt etwas zu finden. Der englische, überaus witzige, bietet aber auch nur für höchstens 8 Rollen ein Stück. Nach unendlich langem Hin und Her dann doch ein veränder- und spielbares Stück: “Adel verpflichtet zu nichts” von Ingo Sax.  12 Rollen, fünf dazu zu dichten – es gelang durchaus. Wohl wissend, dass die Anstrengung nicht im Stoff, sondern in der Darstellung, d.h. in der Selbstbeherrschung, liegt, machten wir uns ans Werk. Und Komisches gab es durchaus. Angefangen bei unserem Bühnen”bild”. Ja, es sollte so etwas wie eine Schrankwand sein. Philippe verschwand, rief dann ein paar der Theater-AG und schleppte ein Monstrum an. Am nächsten Morgen das pure Entsetzen unseres Hausmeisters: “Ich schlepp‘ das Teil auf den Sperrmüll und am nächsten Tag ist es wieder in der Schule!”  Zwei, drei Wochen später bei der Inspektion des Fahrradkellers – ein viel besseres Teil. Wir tauschten sofort aus. Oh je, der Schrank war versprochen, und wir mussten sehen, dass wir wieder mit unserem Herrn Schlindwein zurecht kommen. Aber er hatte ein Einsehen. Das war also geregelt!

Ja, dann war da noch die “Überfall-Aktion” auf unseren neuen Chef. Etliche Umstände bedingten, dass wir ein Superangebot bekamen, das uns im wahrsten Sinne in ein neues Licht setzen sollte. Stich- und Gassenlicht – insgesamt eine Anlage, die zwar gebraucht, aber dennoch voll tauglich und optimal für unsere Verhältnisse ist. Und Herr Berner spielte mit! Danke an dieser Stelle, denn das war nicht ganz einfach.

 

In der Theater-AG selbst war die Stimmung noch ca. 14 Tage vor der Premiere nicht sonderlich gut. Irgendwo fehlte das Zusammengehörigkeitsgefühl. Animositäten entstanden ausgerechnet gegenüber dem Aktivsten, der mit vielen Aktionen wesentliche Neuheiten einführte, so z.B. ein wunderschön gestaltetes Banner mit der Aufschrift: theater am mpg, das nun angestrahlt den Weg zur Aula bahnt.

Dann haben wir es aber doch wieder geschafft!

Philippe baute das Kamin und sorgte sich wie immer um alles, was mit der Bühne zu tun hatte.

Zu erwähnen bleibt, dass wir in diesem Jahr ein kleines Jubiläum zu feiern hatten: Teresa und German sorgen  mit ihren Empanadas nun schon seit 10 Jahren für das leibliche Wohl unserer Gäste! Damit sie auch alles nachlesen können, haben sie unsere Theatergeschichte

bekommen.

 

2003

 

Am 30.7.2002, zu Beginn der Sommerferien,  starb Salome Bender an ihrem  letzten Urlaubstag in Thailand. Wie ungeheuer groß der Schmerz ist, kann hier nicht ausgedrückt  werden. Sie fehlt uns, war sie doch auch nach ihrem Abitur 1999 immer bei der Theater-AG. Wir haben ihr unser 14.Stück „Die Vögel“ nach Aristophanes und Felix Wendler gewidmet. Obwohl eigentlich nur noch Jonas Wagner Salome persönlich kannte, hat die neue Theater-AG den Verlust gespürt und nachempfunden.

 

Bei der Premiere waren die Eltern, alle Brüder, Tanten und Onkels der Benders anwesend, was vor allem für mich eine ungeheure Stütze war, denn ich hatte unheimliche Angst, meine Gefühle nicht kontrollieren zu können.  Denn fast genau auf den Tag ein Jahr zuvor war Salome noch bei uns; sie fieberte wie immer mit, wir haben natürlich viel geschwatzt und sie versprach mir, sich um die Fotoalben, die Videos der Theater-AG zu kümmern, wenn ich dereinst meinen Abschied nehme. Leider ist es anders gekommen! Dennoch, Salome bleibt für die Theater-AG präsent und das ist gut so und sie versteht es sicherlich, dass ich jetzt die Theater-Geschichte fortsetze.

 

Wir hatten uns also für die aktualisierte Neufassung der antiken Aussteigerkomödie entschieden – ein Stück, das vor allem unsere Phantasie bemühte, was Bühnenbild und Kostüme betraf. Doch mit Freddy Hansmann, die sich als „Mädchen für alles“ zur Verfügung stellte, wurden riesige Probleme zu Problemchen bis hin zur völligen Auflösung. Es wurde gefärbt, genäht, Federchen hier und dort akribisch aufgefädelt, die Rückseite einer Sowjetunion-Landkarte (Danke, Phil!) zum Wolkenkuckucksheim umgemalt, in einer abenteuerlichen Aktion ein alter, ausrangierter Stufenbarren auf die Bühne gehievt, verkleidet, die Traversen mit künstlichem Efeu (lieben Dank an Petra) umrankt, Hunderte von Zeitungen zerrissen (viel zu viel), zu einem ekelhaften Brei verrührt, der dann als Hülle um die alten „Calvano-Treppen“ (die es seit 1995 gibt) die Grotte des Marabus wurde.

Ein langer Abend im Hause Voigt sorgte für eine stimmige Musikauswahl – die Aufführungen konnten beginnen.

 

Die Premiere ließ die Aula überquellen und trieb unserem Chef, Herrn Berner, die Schweißperlen auf die Stirn. Die Stühle reichten nicht mehr – alle Fluchtwege waren versperrt – und zu alledem mussten sich die Schauspieler ja auch noch durch die Massen bewegen. Aber es ging alles gut, die Pause war natürlich ob der vielen Menschen, die alle ihre Empanadas essen wollten, viel zu lang.

 

Peter gestaltete zudem „unsere Theaterwand“ , präsentierte in etlichen Rahmen überzeugende Photos, bastelte uns eine Theaterlampe (inzwischen mit Dimmer ausgerüstet)  und eine Theater-Uhr  und – wie es sich gehört – hat die Theater-AG ihr eigenes Briefpapier!

 

2004

 

„Wir wollen, dass die Zuschauer nachdenklich nach Hause gehen!“  Das war die überwiegende Meinung der Theater-AG nach der alle Sinne ansprechenden Inszenierung im vergangenen Jahr. Wir hatten mehrere Stücke gelesen, doch an allen hatten wir etwas auszusetzen. Soyfers „Weltuntergang“ gefiel uns thematisch zwar sehr gut, doch das Hauptgegenargument war, dass es in der notwendigen phantasievollen Umsetzung doch sehr dicht an „Die Vögel“ heranreichen würde. Vor Jahren hatte ich Arthur Millers „Spiel um Zeit“  beim Fischer Verlag bestellt, mich sehr genau an die Lektüre des Romans von Fania Fénelon „Das Mädchenorchester von Auschwitz“ erinnert, es jedoch immer wieder mit der Begründung, ich habe ja keine Musiker zur Seite gelegt.

 

 Im Mai 1943 wird die jüdische französische Musikstudentin Fania Fénelon von der Gestapo wegen ihrer Mitarbeit im Widerstand verhaftet. Sie wird im Januar 1944 nach Auschwitz deportiert und muss dort zusammen mit ca. 50 anderen jungen Frauen die SS mit ihrer Musik unterhalten. In ihrem Roman „Das Mädchenorchester in Auschwitz“ (1976/1980) beschreibt sie aus ihrer subjektiven Sicht die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Frauenlager sowie die unterschiedlichen Überlebensstrategien. Kurz vor der Befreiung  des KZ-Auschwitz wird sie mit den noch transportfähigen Häftlingen in das KZ-Bergen-Belsen gebracht, aus dem sie im Mai 1945 von britischen Soldaten befreit wird. Sie verstarb 1983.

1980 setzte der amerikanische Dramaturg Arthur Miller (1915 *) den Roman in das Fernsehspiel „Playing for time“ um, eine Bühnenfassung folgte.

Genau dieses Stück traf den Nerv der Theater-AG und sie wusste sehr genau, was auf sie zukommen würde.  Wie kann man überhaupt überzeugend eine Negativ-Rolle spielen? Wie kann man Hunger nachempfinden? Wie kann man sich zur Hure machen, um zu überleben? Wie kann man überhaupt in verzweifelter Situation Würde bewahren? All diese Fragen stellten sich uns und forderten uns. Es war eine Gratwanderung, die uns alle ungeheuer anstrengte. Unsere ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema führte uns dann jedoch zu der Gewissheit, dass wir, „die Zuschauer nachdenklich nach Hause schickten“.

 

Der neue Verfolger, aus dem zweiten Obergeschoss eingesetzt, bewährte sich in den Szenen, in denen „Fliegeralarm“ simuliert werden musste. Aaron, Hans und Johannes hatten die akustische Untermalung auf ihren Laptops perfekt im Griff. Lichttechnisch unterstützte uns tatkräftig Jan Würthwein vom Sandkorn-Theater.

 

 

Fortsetzung folgt!